Muss man selbst religiös sein, wenn man sich mit
Sakralgebäuden beschäftigt? Hier tut sich der Verfasser schwer, eine
allgemeingültige Antwort zu finden. Das eigene Denken und Verhalten – religiös nicht
motiviert und nicht gebunden – könnte danach streben, sich gerechtfertigt zu sehen.
Aber vielleicht sind derartige Skrupel eben immer noch Relikte einer
kirchlichen Frühsozialisation.
Die Mutter des Verf. stammte aus Köln und hatte eine, wie er
meint, folkloristische Einstellung zum katholischen Glauben. Ein Onkel von ihr
war kath. Pfarrer, ein anderer Jesuit. Also wurde der Verf. katholisch getauft
und so aufgezogen. Mit 111/2 Jahre wurde er in den
Firm-Unterricht geschickt. Statt nun fester im Glauben zu werden, verliebte er
sich in das „Mädchen mit dem roten Anorak“, dem er stundenlang nachlief, bis
sie sich seiner erbarmte und ihn ansprach. Letztlich kam es zu Zärtlichkeiten
und zu dem, was die katholische Sittenlehre als Unkeuschheiten diffamiert. Nie
aber wird der Verf. bis an das Ende seiner Tage jene sinnliche Freude
verleugnen, die darin liegt, so ganz leicht eine weibliche Brust in der Hand zu
haben. Die sichere sinnliche Erkenntnis darüber ließ in ihm die feste
Überzeugung aufkommen, das ist so köstlich, das ist nichts Falsches, das ist keine
Sünde. Und wenn doch, dann kann er es eben nicht bereuen. So zerfiel in ihm
zuerst die Adaption an die Sittengesetze dieser Religionsgemeinschaft, dann der
gesamte Glauben schlechthin.
In der Schule war der Verf. in Religion immer einer der
besten, erhielt aber nie die eigentlich fällige Note „1“, weil eben ein
Ungläubiger nicht so benotet werden darf, sicherlich ein Moment, der ihn in seiner
Distanz zur Religion überhaupt bestärkte, denn wenn ihre Vertreter so ungerecht
sind und nicht Leistung, sondern Haltung würdigen, dann will er damit nichts zu
tun haben. Generell ist zu sagen, dass dem Verf. nicht nur das Christentum,
sondern alle Religion abhanden kam.
Einen gewissen Kulturschock erlitt der Verf., als er 1958
zum ersten Mal in der Türkei war und einen muslimischen Gebetsgottesdienst
erlebte. Das Christentum war für ihn ein Teil auch seines abendländischen
Denkens, er hatte dessen materielle Seite nach seiner Abwendung nie überdacht.
Nun war da eine ganz andere Art der Zuwendung zu Gott, ohne Opferhandlung, mit
reduziertem Ritus. Der Verf. schämte sich als Abendländer geradezu für die ihm
nun peinlich erscheinende Umsetzung der christlichen Annäherung an Gott. Dabei
ist es soziologisch betrachtet völlig gleich, ob man das biblische Wort εστίν
mit „ist“ oder „bedeutet“ übersetzt. Das Unterfangen, des Gottes dadurch teilhaftig
zu werden, dass man ihn isst (katholisch=real, evangelisch=symbolisch),
erscheint ihm seitdem ethnologisch als steinzeitlicher Atavismus,
individualpsychologisch betrachtet, als Verharren in der oralen Phase.
Die Griechen hatten im Verhältnis zu der von ihnen
geschaffenen Philosophie eine geradezu läppische Religion mit einem Obergott,
der alles vögeln wollte, was Körperöffnungen hatte. Jedoch hatten sie kaum
einen professionellen Priesterstand, was mit ein Grund dafür ist, dass sie eine
Theologie nicht entwickelten. Im Christentum gibt es überwältigende Gedanken:
die Bergpredigt, das dialektische Verhältnis von Selbst- und Feindesliebe, die großartige Bitte „und
führe uns nicht in Versuchung“, jedoch der Bereich, den man als die materielle
Seite bezeichnen kann, ist ähnlich läppisch. 1954 war der Verf. in Padua das
erste Mal in der Basilika der St. Antonius, die dort aufgestellten Reliquien –
u.a. der Fleischklumpen der Zunge des Heiligen und der Armknochen des Heiligen
Bonaventura – vermochten fast, ihm den Blick auf die Herrlichkeit des mit
Kuppel gekrönten Bauwerkes zu rauben, da schien die Geschmeidigkeit des davorstehenden
Gattamelata attraktiver. Kommt man Gott näher, wenn man einen alten braunen
Knochen betrachtet? 1964 war das Mittelschiff der fünfschiffigen Kathedrale in
Burgos so hoch vom übrigen Raum abgetrennt, dass eben nur die sozial
erwünschten Gläubigen am Geschehen teilhaben konnten, ein Grund dafür, dass der
Verf. die Kirche spornstreichs verließ.
Mittlerweile ist der Verf. älter geworden, gelassener sieht
er die Dinge. Ob es Altersweisheit oder Resignation ist, mag er nicht
entscheiden, jedenfalls regt er sich über die Alltäglichkeiten der Religionen
kaum noch auf. Seit jeher interessierten ihn die Dinge der Vergangenheit, sein
Großvater führte ihn in den Jahren 1950 bis 1955 zu sämtlichen Burgen am Rhein
zwischen Mainz und Koblenz. Die mütterliche Seite wollte dann wenigstens die
ästhetische Attraktivität der Kirche gewahrt sehen, also hat er immer wieder
Kirchen und Klöster besichtigt, und tut das heute noch.
Einer der innigsten Kenner der Kirchen Roms ist trotz der
„unsauberen und unmoralischen“ Aufforderung in der Mitte der 1920er Jahre nicht
Christ geworden, was seiner wissenschaftlichen Betrachtungsweise keinerlei
Abbruch tat. Der Verf. will im Grunde nur das, was er bei seinen
archäologischen Ausflügen so nebenbei sah, festhalten, anderen zeigen,
letztlich nimmt er den Kampf auf gegen die „Furie des Verschwindens“, ein
Begriff, von Hegel ganz anders gebraucht, aber zutreffend auf die Situation der
Kirchenruinen in Kleinasien. Er will Bilder zeigen, einige Texte dazu
absondern, Wissenschaft zu betreiben, ist nicht beabsichtigt, schon deswegen,
weil der Verf. keinen Zollstock mit herumschleppt, um ihn ins Bild zu legen. So
ist denn KIKLA kein weiblicher Kreis, sondern erklärtermaßen ein Torso.
Einzelne Bilder kann jeder herunterladen, verwenden, nur bei einer
Veröffentlichung schmeichelte es der Eitelkeit des Verf., wenn er ein Exemplar
erhielte. Auch zur Übersendung von Bilddaten in einer verwendbaren Größe ist er
bereit.
Damit der geneigte Leser sich ein Bild machen kann: Das
nachfolgende Bild zeigt den Verf. im Mai 2012 beim Verlassen der kleinen
Rundkirche in Kozluca, Nähe Digor, Provinz Kars.